Problemraum - Phase 1 bis 3: Verstehen, beobachten, Sichtweise definieren
Phase 1: Verstehen und Phase 2: Beobachten: in diesen beiden Phasen steht im Vordergrund, das Problem/den Auftrag in Gänze zu erfassen und zu verstehen. Die erste Phase beschreibt eher einen rationalen Prozess des Verstehens, wohingegen die zweite Phase eher die emotionalen Aspekte, in den Blick nimmt. Leitende Fragestellungen sind beispielsweise: Was hängt wie zusammen, wie ist die Historie, wer ist beteiligt, in welcher Beziehung stehen die Beteiligten, welche Bedürfnisse und Motivationen treiben an?
Phase 3: Sichtweise definieren/Point of view: in dieser Phase werden die wichtigsten Erkenntnisse der ersten beiden Phasen miteinander verbunden und eine Sichtweise definiert. In dieser Phase kann die Persona-Methode eingesetzt werden. In diesem Moment werden noch keine Lösungen entwickelt.
Lösungsraum - Phase 4 bis 6: Ideen finden, Prototypen entwickeln, testen
Phase 4: Ideen finden: Auf Grundlage der Erkenntnisse des Problemraums werden nun schnell viele Ideen entwickelt. Die Qualität der Ideen ist in dieser Phase nicht entscheidend.
Phase 5: Prototypen entwickeln: In dieser Phase werden die besten Ideen/wird die beste Idee haptisch dargestellt, um die Idee zu visualisieren. Hier geht es darum „mit den Händen weiterzudenken“, als Hilfsmittel kommen Lego, Knete, Bastelmaterial, Stifte, digitale tools etc. zum Einsatz. Es geht nicht darum, ein perfektes Ergebnis zu gestalten, sondern vielmehr die leitenden Idee schnell zu präsentieren.
Phase 6: Testen: Anhand des Prototyps wird die Idee greifbar und kann an die potenziellen Nutzenden übergeben werden, die Feedback geben. Anhand der Rückmeldungen wird der Prozess der Produktentwicklung wieder vorne gestartet, bis aus dem Prototypen durch kontinuierliches Verbessern das fertigte Produkt oder der neue Prozess etc. entsteht (iterativer Prozess).
(Quelle: Video, Mitschrift, Handout und https://teamentwicklung-lab.de/design-thinking-prozess)
Anwendungsbeispiel:
Entwicklung einer neuen Betriebsvereinbarung zum Thema Homeoffice:
Wir sind acht Personen aus den verschiedenen Abteilungen, die mit der Entwicklung einer neuen Betriebsvereinbarung beauftragt wurden. Die Interessen der Mitarbeitenden, der Geschäftsführung, des Betriebsrats (hier v.a. mit dem Auftrag der Antidiskriminierung) und der Personalabteilung sollten Berücksichtigung finden, alle Parteien sind in der Arbeitsgruppe vertreten. Zudem liegen die Ergebnisse von zwei Befragen zum Thema vor, einmal von den Mitarbeitenden und einmal von den Führungskräften. In der Befragung ging es allgemein um die Bewertung von Homeoffice, nicht um die Frage, wie viel Homeoffice wünschenswert wäre. Das Ergebnis zeigt, dass Homeoffice sehr positiv bewertet wird und steht damit konträr zu den Vorstellungen der Geschäftsführung.
Um einen Design Thinking-Prozess aus dieser Beauftragung zu machen, müssten nun alle sachlichen und emotionalen Informationen zusammengetragen und geclustert werden, idealerweise von unparteiischen Personen, die daraus verschiedene Ideen ableiten und einen Prototypen einer Betriebsvereinbarung entwickeln. Soweit, so gut.
In Phase 6 stoße ich nun allerdings auf Fragestellungen: Wer bewertete den Prototypen? Externe? Sind alle in Phase 1 und 2 genannten Bedürfnisse und Anforderungen gleichwertig? Was passiert, wenn die Bedürfnisse und Anforderungen konträr sind? Ist Design Thinking gar ein demokratischer Prozess?
In der Realität wären nicht alle Parteien an der Bewertung des Prototypen beteiligt. Sie tritt mit der Unterschrift der Geschäftsführung und des Betriebsrates inkraft – und das sind nicht die Nutzenden. Stellt sich also die ketzerische Frage, ob in Phase 1 und 2 die Nutzenden, hier die Mitarbeitenden, überhaupt hätten befragt werden müssen.
Darüber muss ich noch etwas nachdenken.